Anna Degasperi, geb. Gius (Zurückkommen)

Jg. 1925, Rücksiedlerin

[Wann haben Sie Ihren Mann kennengelernt?]

Das war auch ein Südtiroler. Nein, nein, das ist ja auch so eine Sache. Wie wir in Jugoslawien waren, das war auch so ein armer Bub, der eigentlich niemanden gehabt hat. Schon Geschwister hat er gehabt und eine Mutter, aber ganz arm. Und der war in Russland und er hat meine… von uns die Adresse gehabt, weil er die Möbel von unserer… von meinen Eltern einwaggoniert hat, wie wir schon weg waren, und das hat er organisiert gehabt. Mein Vater hat ihn angestellt das zu machen. Und hat ihn bezahlt und durch das hat er unsere Adresse gehabt. Und er schreibt nachher, ob wir nicht ob ich ihm nicht könnte, Zahnpasta, Zahnbürste und so Sachen schicken nach Russland, weil er nix mehr, alles verloren hat. Und so hat es angefangen. Sagt er, kann ich nicht kommen in Urlaub, weil ich hab niemanden, darf nicht hinein nach Südtirol, kann ich nicht zu euch kommen in Urlaub? Und so ist es halt gewesen, so hat es angefangen und so ist es geblieben. So. Er war ein ganz ein armer Mensch und ich hab auch nichts gehabt. So ist es. Und so ist es halt weitergegangen. Aber wir haben drei tüchtige Kinder und das ist wichtig gewesen für mich, das ist der ganze Lebensinhalt eigentlich von mir. Mehr ist nicht mehr gewesen. […]

Er ist in Italien dann da gewesen, in Monte Casino [?] und da haben sie ihn gefangen genommen, die Amerikaner, und ist zufällig in Gries in der Kaserne stationiert gewesen. Und ich bin, weil meine Eltern eben in der Steiermark waren, hab ich gesagt, so und am Ritten oben nichts mehr war, der Kindergarten aufgelassen ist worden, hab ich gesagt, so und jetzt pack ich zusammen und geh meine Eltern besuchen, meine Eltern besuchen in der Steiermark. Hab ich halt mein bisschen Gewand mitgenommen und das Geld, was man… Geld hat man gehabt damals genug, weil gekriegt hat man… zum Kaufen hat man nichts gekriegt. Und bin losgezogen, schwarz über die Grenze, und bin bis Gries am Brenner gekommen. Und da haben sie mich aufgehalten. Waren die Engländer, da haben sie gesagt: Aus, ist Zone, ist die gesperrte Zone, und Sie kommen nicht weiter. Weil wo meine Eltern waren, waren die Russen. So, was soll ich jetzt tun? Dann hab ich ein Zimmer genommen in einem Gasthöfl, aber nichts zum Essen. Der Hunger war groß. Einmal am Tag hat man eine Suppe gekriegt in dem Gasthäusl und sonst nichts. Und ich hab gewusst […], da ist was zu holen in Südtirol, ich krieg da schon was von jemandem. Und bin wieder zurück hinein, zu Fuß, von Gries am Brenner. Und bin in Gries bei einem Bekannten, der schon… der Sohn war in Cilli beim Militär. Darum hab ich die auch früher schon gekannt. Da hab ich können schlafen die paar Tage, ein bisschen was zum Essen organisiert und und da ruft jemand von der Kaserne, weil das direkt gegenüber von der Kaserne ist, der Hof: „Anni, Anni“ und was war? Mein Mann war’s. Sagt er, ich werd‘ morgen entlassen. Jetzt bin ich nicht mehr hinaus nach Innsbruck, ah Tirol. Jetzt bin ich halt da picken [kleben] geblieben, das bisschen Gewand, das ich mitgehabt hab draußen, ist halt draußen geblieben. Logisch bin ich nicht mehr hinaus, schwarz. Und so ist das Ende gewesen, so haben wir zusammen weitergemacht. Dann haben wir mal ein paar Tage in einem Gasthaus ein Zimmer genommen und dann hat er schon, er war ein bisschen ein Organisator, hat er schon eine Wohnung gefunden und dann hat er irgendwo schon Möbel, alte, gefunden und eine alte Kredenz. Und unser erstes Bett war super, das war so ein Klappbett, das überall die Federn rauf gesteckt hat. Das war unser erstes Bett. Aber bitte, wir sind zufrieden gewesen.

Eine Wohnung haben wir gehabt, ein Bett haben wir gehabt, ein Herd war drin, langsam hat er einen Tisch und ein paar Stühle daher gebracht… er hat immer organisiert. Erste Weihnacht sind wir auf einer Bank, auf zwei Äpfelharassen  und einem Brett gesessen und haben beide geweint. Das war unsere erste Weihnacht.

Aber dann ist es weiter gegangen, dann haben wir langsam, dann hat er ein Stück Grund in Pacht genommen, mein Mann, weil er war von der Bauernschaft der Knecht früher. […] Und da war eine Militärbaracke, eine Holzbaracke, da hat die Besitzerin gewohnt, nicht. Und die hat gesagt, sie haben jetzt angesucht auf eine Sozialwohnung. „Wenn ihr wollt, könnt ihr da herkommen, in die Baracke.“ Weil wir haben eine schreckliche Wohnung gehabt, im zweiten Stock oben, ohne Licht, ohne Wasser.