Erich Kobler (Hotel Victoria)

Jg. 1928, Rücksiedler

Mein Vater war Empfangschef von denen, die ausgewandert sind am Bahnhof in Innsbruck und hat da alles gesehen. Mein Vater hat müssen auswandern. Von der Elite der VDK [Volksbund für das Deutschtum im Ausland] mussten die meisten innerhalb 31. Dezember ‘39 auswandern. Die haben sie praktisch ausgewiesen. Denn mein Vater hat sich am 31., am 26. oder 28., ich weiß jetzt nicht ganz genau, müssen am Bahnhof in Margreid einstellen und da ist die Polizei zugestiegen. Sie sind mit ihm bis Bozen gefahren. In Bozen stieg dann ein ehemaliger Kollege ein, ein Kamerad von meinem Vater, ein Dr. Pattis, der war Wirtschaftsberater in Bozen.

[…] In Innsbruck war mein Vater da im Hauptquartier, wo die Leute angekommen sind mit dem Zug. Dann sind sie vom Zug abgeholt worden, sind ins „Hotel Victoria“ geführt worden. Im „Hotel Victoria“ haben sie zu Essen bekommen, dann nach dem Essen sind sie gebadet worden, weil die waren ja alle von der Fahrt und Ding [schmutzig]. Dann sind sie alle untersucht worden, dann sind sie geröntgt worden und dann sind sie aufgeteilt worden in die Gasthöfe. Denn, bevor sie nicht irgendwo einen Platz hatten, haben sie nicht aus Innsbruck wegkönnen. Viele haben schon gewusst, wo es hingeht, und viele haben es nicht gewusst. Die haben erst schauen müssen, wo sie hingehen können und da war das „Hotel Victoria“ der Anfang für die Leute. Und da war eben diese Gruppe von acht bis zwölf Leuten, mein Vater war der Chef, und die hat nachgeschaut, ob die Leute ja das alles bekommen, was ihnen versprochen worden ist. Weil die haben alle so eine Karte gehabt und mit der Karte haben sie können frühstücken, mittagessen und abendessen. Aber alle Leute haben ja nicht gegessen und die Kellnerinnen haben dennoch alles gleich einkassiert und haben diese Karte abgenommen, das ist halt da so gewesen. Mein Vater hat [deswegen] immer gesagt, wenn eine Tochter von ihm Kellnerin wird, dann schlägt er ihr die Beine ab! Dann sind die Leute eben zugewiesen worden. Ich habe da Leute gekannt, die sind nach Vorarlberg, sind nach Jenbach, sind nach Kramsach, nach Telfs, nach Imst, nach Kematen.

Im Hotel Victoria, im letzten Stock oben war eine Familie Bachmann vom Ritten. Der Mann hat ein Gasthaus in Innsbruck geführt. Seine Frau war Lehrerin. Nachmittags musste ich hinaufgehen lernen zu der. Ich habe zwei Kollegen gehabt noch, die haben nie hingehen müssen. Der Vater von denen hat auch innerhalb 31. Dezember gehen müssen, auswandern. Aber die haben immer musiziert und nie gelernt. Aber ich habe lernen müssen, weil am Abend hab ich oft dem Vater zeigen müssen, was ich gemacht habe.

[…] Wissen Sie, in Innsbruck, da sind arme Leute gekommen. Wenn man oft geschaut hat, nur mit dem Rucksack und so. Solange sie in Innsbruck waren, ist es ihnen bestimmt nicht schlecht gegangen, weil sie haben zu Essen gekriegt und dann haben sie Unterhaltung bekommen in der Mariatheresienstraße, „Brösl“ [„Breinössl“], heißt das. Dort war ein großer Saal. Und dort ist Theater gespielt worden, dann sind die Eltern mit den Kindern ins Tivoli gegangen, bis sie gewusst haben, wohin es geht.

Mein Vater hat das koordiniert, bis er 1942, oder ‘41, beim Russlandfeldzug eingerückt ist und er ist dann eben ‘44 in Italien gefallen. Er hat das in Innsbruck koordiniert und nach meinem Vater ist das ein gewisser Elsler gewesen, der das ganze koordiniert hat, aber die Auswanderung ist laufend zurückgegangen.