Pater Hermann Gasser (Italiener_innen)

Jg. 1932, Optant

Wir, halt die Kinder, lebten ja sehr viel auf der Straße, in einer Stadt [Brixen] ist das ja normal. Wenn man die Wohnung verlässt, ist man ja auf der Straße. Und wir hatten dort natürlich auch italienische Spielkinder, so dass es für uns keine Schwierigkeit und besonderes Problem war, nein. Und wir wurden in keiner Weise beanstandet, weil wir deutschsprachig waren [Kopfschütteln]. Nein – jedenfalls mein Empfinden war es nicht. [Sie haben sich also ganz leicht getan mit dem Italienisch?] Ja, woll, so ist es. Ja. Und das war mein Segen, weil ich mich später mit dem Latein genau so leicht getan hab.

[Was haben sie da gespielt auf der Straße?] Ma, soweit ich noch weiß ‚Datschelen‘, also das ist Südtirolerisch und da macht man bei der Hauswand eine kleine Grube und … Kugeln wirft man hinein und je mehr man hineinbringt, umso besser. Ich mein ‚Speckern‘ sagen die Tiroler. Und dann sind wir sehr viel mit Fahrradreifen – ohne Gummi, nur der blanke Reifen –, mit einem Stecken durch den Häuserblock gerast. Das war natürlich unser größter Sport. Und ansonsten musste ich viel Wein tragen hinaus zum Bahnhof, weil mein Vater hatte die Verladearbeiten was Holz betrifft am Bahnhof über und die dortigen Arbeiter brauchten halt Chianti. War auch so eine Erfahrung, aber sonst nichts Besonderes.

[In Brixen war die Bevölkerung gemischtsprachig in Ihrer Kindheit?] Ja zum Teil… Man könnte sagen, schon, weil Mussolini ja die Absicht hatte, möglichst viele Italiener anzusiedeln, ansonsten war Brixen ja deutsch. Die Einwohner waren Deutsche. Also Südtiroler, nicht. Und es gab eben in der Arbeiterklasse schon viele Italiener dadurch. [Gab es Konflikte?] Ich würde sagen, eher nicht. Denn ich erinnere mich an einen Mann im Bahnhof, der hieß Giacomo und der sprach immer zu meinem Vater: ‚Du bleiben hier, du nicht gehen Deutschland‘… Und die vertrugen sich sehr, sehr gut. Das Bahnhofspersonal war ja zur Gänze italienisch. Und das gab nie Reibereien. Nein. Obwohl mein Vater praktisch nichts Italienisch konnte und mich immer anstellte, um die Frachtbriefe auszufüllen. [lächelt]